Schon länger bewirbt Apple sein iPad Pro als Computer- und Notebook-Ersatz. Aber erst ab Herbst gibt es mit iPadOS auch ein speziell angepasstes Betriebssystem dafür. Hat damit die letzte Stunde von PCs geschlagen? Und wie schlägt sich ein iPad Pro gegen ein aktuelles MacBook?
Über die vergangenen Jahre hat Apple seine iPad-Familie umfangreich erweitert. Das Topmodell ist das iPad Pro, das schonungslos als Computer-Ersatz vermarktet wird. Doch klappt das wirklich? Bisher eher nicht, denn es gibt einige Einschränkungen, mit denen man bisher beim Einsatz eines iPad Pro im Vergleich zu Windows-Notebook oder MacBook klarkommen muss:
Fehlende Maus-Unterstützung
Arbeit mit Dateien nur umständlich möglich
Externe Speicher anbinden umständlich
Nutzung mehrerer Programme/Apps umständlich
Safari auf dem iPad bevorzugt mobile Webseiten
Einschränkungen bei Zubehör
Einschränkungen beim Betriebssystem/Software
iPadOS: Das iOS, das mehr kann
Doch jetzt werden die Karten neu gemischt. Gleichzeitig mit iOS 13 startet Apple im Herbst auf dem iPad auch mit iPadOS. Man hat sich nach fast zehn Jahren iPad also endlich dazu durchgerungen, ein erweitertes Tablet-Betriebssystem zu bauen. iPadOS kann man sich vorstellen als iOS mit ein paar Zusatz-Funktionen, die auf Besonderheiten beim Tablet einzahlen, etwa auf den größeren Bildschirm und eben auch auf die Dinge, die Nutzer damit anstellen wollen.
So gibt es einen neuen Home-Screen, der mehr Apps und gleichzeitig eine "Heute"-Ansicht bietet, über die man auf Widgets zugreifen kann. Auch beim Multitasking legt iPadOS nach, das iPad kann jetzt innerhalb derselben App mit mehreren Dateien und Dokumenten arbeiten und auch mehrere Apps schnell anzeigen und zwischen ihnen wechseln. Außerdem baut Apple die Dateien-App weiter aus und unterstützt externe Speicher. Nutzer können also einfacher USB-Sticks und SD-Karten anschließen oder sich sogar bei einem SMB-Dateiserver anmelden. Man kann also richtig mit einem Dateisystem arbeiten, ohne Zusatz-Apps installieren zu müssen.
Einfacher Surfen und Arbeiten
Nervig ist bisher auch, dass Safari beim Surfen selbst auf dem iPad erstmal die abgespeckten Mobilseiten lädt. Nutzer müssen immer explizit die Desktop-Version anfordern. iPadOS ändert das. Safari auf dem iPad zeigt automatisch die Desktop-Version von Webseiten an und skaliert sie für das jeweilige iPad-Display.
Außerdem kriegt Safari einen Download Manager, 30 neue Tastaturkurzbefehle und bessere Tab-Verwaltung. Mit iPadOS kannst Du also ein gutes Stück produktiver arbeiten, das zeigt sich auch bei der Textverarbeitung. Das Tippen in bestimmte Textstellen geht mit iPadOS präziser und schneller, Textpassagen lassen sich mit nur einem Streichen auswählen und es stehen neue Gesten zum Ausschneiden, Kopieren, Einsetzen und Widerrufen bereit.
Eingeschränkte Maus-Unterstützung
Keine große Sache hat Apple daraus gemacht, aber man kann sich über einen kleinen Trick sogar eine rudimentäre Maus-Unterstützung auf das iPad holen. Tief in den Optionen bei den sogenannten Bedienungshilfen unter "AssistiveTouch" tauchen Zeigegeräte auf, übersetzt bedeutet das, ein iPad kann was mit einer USB-Maus anfangen, es klappt aber auch ohne Kabel per Bluetooth-Verbindung.
Auch das Apple Magic Trackpad funktioniert über diese Funktion am iPad. Doch das Ganze hat zwei Haken, erstens funktioniert die Computer-Maus nicht überall, etwa kann der Cursor das iPad Display nicht verlassen, blöd, wenn man einen externen Monitor angeschlossen hat. Und zweitens fehlen Dinge, an die man sich am Computer einfach gewöhnt hat, etwa gibt es kein Kontextmenü.
iPad Pro vs. MacBook Hardware
Apple hat auch bei den MacBooks eine ganze Familie am Start: Es gibt die klassischen MacBooks, MacBook Air und MacBook Pro. Auch wenn man es an den Namen nicht gleich raushört, das MacBook ist das leichteste Notebook von Apple mir 920 Gramm. Es bietet auch nur ein 12 Zoll Display und ist deshalb mit dem iPad Pro am ehesten vergleichbar. Das zeigt Inhalte auf einer 11 oder 12,9 Zoll Diagonale und wiegt knapp unter 500 Gramm (11 Zoll Modell) bzw. etwas über 600 Gramm (12,9 Zoll Modell). Da ist aber noch keine Tastatur dabei.
Das Schöne beim iPad Pro ist aber, dass man es auch ganz gut ohne Tastatur nutzen kann. Ansonsten ist die Leistungsfähigkeit eines iPad Pro stark: Bei Single-Core-Benchmarks aus dem Jahr 2018 schlug das iPad Pro 9 von 10 Notebooks. Nur das MacBook Pro eilt ihm noch davon. Die MacBooks setzen heute noch auf Intel-CPUs, auf dem iPad entwickelt Apple auch die Chips selbst, was man für eine nahezu perfekte Abstimmung nutzen kann.
iPad Pro vs. MacBook Schnittstellen
Mit Schnittstellen ist Apple ohnehin geizig. Am aktuellen iPad Pro findet sich aber zumindest ein USB Type-C-Anschluss. Vorteil dabei: Man kann zusätzliche Hardware leichter anbinden, etwa externe Displays oder Kameras. Das MacBook hat auch nur einen USB-C Anschluss, beim MacBook Air sind es immerhin zwei und beim MacBook Pro verbaut Apple vier Ports. Was man an den MacBooks dann macht, ist sich ein USB-C Dock zu kaufen und schon hat man mehrere Grafik-, USB-, Netzwerk- und andere Schnittstellen.
Das ist grundsätzlich auch am iPad möglich, wobei es dafür spezielle Docks braucht und man auch nicht davon ausgehen kann, dass jedes Zubehör für MacBooks auch am iPad funktioniert, denn mit klassischen Treibern kann iOS und auch iPadOS nichts anfangen. So oder so, als Apple-Nutzer muss man sich daran gewöhnen, die Schnittstellenproblematik irgendwie zu lösen, sei es per Dock oder einem halben Dutzend Adapter.
iPad Pro vs. MacBook Software
Die größten Nachteile muss man als iPad Pro Nutzer im Gegensatz zum MacBook bei der Software hinnehmen. iOS war bisher ein sehr eingeschränktes Betriebssystem, iPadOS verbessert die Situation, aber macOS kann definitiv mehr und viele Nutzer haben sich auch für Windows auf dem MacBook entschieden. Mit macOS und Windows öffnen sich die Türen zu professioneller Software, die man sich auch aus verschiedenen Quellen holen kann und eben nicht nur aus dem AppStore oder per iTunes. Es gibt zwar auch viele Apps, die aber doch oft auch einfach in erster Linie für das iPhone gemacht sind und als iPad-Version nur aufgepumpt werden.
Was ein iPad Pro besser kann
Ein iPad Pro ist in manchen Disziplinen auch besser als ein Computer. Beispielsweise kann man mit sehr leichtem Gepäck reisen, wenn man nur ein iPad mitnimmt und das Notebook zuhause lässt. Außerdem ist das iPad ständig an und sofort aus dem Ruhezustand aufgeweckt. Bei gut abgestimmten Computern dauert auch das einen Tick länger und bei vielen Notebooks einfach viel länger. Man muss sich auch nicht groß um Sicherheit kümmern, das abgesperrte Ökosystem von Apple hält auch das iPad Pro schön sicher.
So sehr man über fehlende Maus-Unterstützung klagen kann, machmal ist ein Touch-Screen einfach die bessere Wahl und das iPad Pro hat einen klasse Bildschirm. Im Gegensatz zu einem MacBook oder einem Windows-Gerät ist das iPad Pro auch sehr einfach zu bedienen. Wer beispielsweise immer bei den Eltern PC-Support leistet, könnte mit einem iPad als Weihnachtsgeschenk nicht nur die Eltern glücklich machen, sondern sich selbst auch entlasten, weil es weniger Probleme gibt, die man dann beim Besuch lösen muss.
iPad Pro ist fast ein PC
Die Leistung eines iPad Pro reicht dick aus für die meisten Dinge, die man privat an einem Computer anstellen will. Die Frage, ob ein iPad Pro als MacBook-Ersatz reicht oder nicht, lässt sich nur beantworten, wenn man die Karten auf den Tisch legt und erklärt, was man mit dem Gerät anfangen will. Surfen klappt natürlich super, dank passender Apps streamt man auch Videos und Musik und befriedigt das anfallende Kommunikationsbedürfnis. Vor allem für Nutzer, die viel unterwegs sind, ist ein iPad Pro schon heute oft ein Notebook-Ersatz. Aber das klappt eben nur soweit, bis man auf die ersten Einschränkungen stößt, die meist durch iOS oder mangelnde Zusammenarbeit mit Zubehör verursacht werden.
iPad Pro kein vollwertiger MacBook-Ersatz
Es ist kaum vorstellbar, dass es bei Apple keiner Person aufgefallen ist, dass man sich mit einem iPad Pro samt iPadOS als Notebook-Ersatz das eigene Geschäft mit MacBooks kaputt machen könnte oder Gefahr laufen könnte, dass der Kunde eben nicht zum Mac mini oder iMac greift. Fakt ist: iOS ist in erster Linie ein Smartphone-Betriebssystem. Auf dem iPad mit seinem großen Bildschirm war das an manchen Stellen einfach nicht stimmig. Jetzt kommt durch iPadOS ein lang ersehntes Update, das iPads aufwertet. Und ja, man kann ein iPad Pro in vielen Situationen als Computer- oder MacBook-Ersatz verwenden.
Es macht sich beispielsweise gut als Begleiter im Urlaub oder auch bei Geschäftsterminen, bei denen man evtl. Notizen machen muss. Das normale Surfen, Multimedia- und Social-Gedöns erledigt es ohnehin. Aber ein Computer kann mehr: Viele Programme, vom Office-Paket über Steuer-Software bis zur Video-Bearbeitung, sind stark an den Workflow mit Maus und Tastatur angelehnt und brauchen große Speicher und Displays. Hier ist das iPad noch zu unflexibel. Wer den Computer auch außerhalb seiner Freizeit nutzt und richtig damit arbeitet, Excel-Schubser, Designer, Video-Profis, Programmierer und andere werden noch eine Zeit lang MacBooks kaufen. Das iPad bleibt auch mit iPadOS ein Drittgerät zwischen Smartphone und Computer.